Der Stromverbrauch in Deutschland steigt stetig und vor allem rasant. Gleichzeitig erhöht sich durch die Energiewende die Gefahr eines totalen Stromausfalls. Wie wahrscheinlich ist diese Gefahr und was ist dran an den Ängsten von Verbänden und Unternehmen? Wir haben uns das Thema genauer angeschaut.
1. Staatliche Schutzpflicht in Gefahr
2. Was tun gegen die Stromlücke?
Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWI) erwartet aktuell auf der Grundlage einer neuen Studie für 2030 einen Strom-Verbrauch von 645 bis 665 Terawattstunden. Mit dem Umbau der Energieversorgung hin zu mehr erneuerbaren Energien, kann es aber zu zeitweiligen Strommangel und Abschaltungen in Spitzenlastzeiten kommen.
Grund: die erneuerbaren Energien liefern eben nicht kontinuierlich Strom. Vor mehr als zwanzig Jahren, 1998, trat mit dem „Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts“ eine Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft in Kraft, um Schwankungen in Verbrauch und Erzeugung auszugleichen, doch wird diese durch die Umstellung auf erneuerbare Energien in Deutschland gefährdet?
Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag beurteilt die Lage nüchtern, das Urteil klingt dennoch dramatisch. Analyse zu den Folgen hätten gezeigt, „dass bereits nach wenigen Tagen“ im Gebiet eines Stromausfalls die Versorgung der Bevölkerung „mit lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen“ nicht mehr sichergestellt werden könne. Trete dieser Fall ein, könne der Staat seiner „grundgesetzlich verankerten Schutzpflicht für Leib und Leben seiner Bürger“ nicht mehr nachkommen.
Netz stärker ausbauen
Durch die zunehmende Digitalisierung und die Energiewende kommt die Energiesicherheit weiter unter Druck. Aktuell kommt die Sorge vor Lieferengpässen im Strom- und Gasbereich hinzu. Nur ein konsequenter Netzausbau stellt sicher, dass grüne Energie jederzeit dorthin gelangen kann, wo sie gebraucht wird. Hierfür werden Milliarden-Investitionen erforderlich sein, sagt die BDEW-Geschäftsführerin Dr. Marie-Luise Wolff.
Lastmanagement und Speicheraufbau
Um die Versorgungssicherheit zu halten, müssen alle Flexibilitätspotenziale beispielsweise über Lastmanagement und Speicher ausgeschöpft werden. Unabdingbar ist außerdem ein Zubau von Gaskraftwerken, die wasserstofftauglich sind und zunehmend mit klimaneutralem Gas betrieben werden.
Intelligente Steuerung des Stromnetzes
Gerhard Scharphüser, Vizepräsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik, sagt in einem Interview mit Deutschlandfunk, dass die Energieinfrastruktur sich stark geändert habe. Es gäbe nicht nur einige wenige große Energieerzeuger sondern ein Großteil der Bevölkerung nehme an der Erzeugung der Energie über beispielsweisen Solarflächen auf Dach teil. Die Schwierigkeiten darin sieht Scharphüser vor allem in der Steuerung, denn nicht jeder Erzeuger könne einfach beliebig in das Netz reinstreuen. Um Instabilitäten zu vermeiden, brauche es ein feingranulares „Steuerungssystem“.
Spitzenglättung und Lastmanagement
Bereits im Januar letzten Jahres hatte das Wirtschaftsministerium unter Minister Peter Altmaier (CDU) unter dem Eindruck eines Beinahe-Blackouts einen Gesetzesentwurf zur „Spitzenglättung“ vorbereitet.
Spitzenglättung bedeutet: Wenn Strom knapp wird, sollen große Verbraucher wie E-Autos oder Wärmepumpen zeitweise keinen Strom erhalten. Wer sein E-Mobil an der heimischen Ladestation „auftanken“ will, hat dann zu den Hochlastzeiten das Nachsehen. Im Gegensatz zu Großbritannien scheiterte Altmeiers Ministerium unter anderem am Widerstand der Autohersteller, die um den Verkauf ihrer E-Mobile fürchten.
Dennoch werden wir ein System des sogenannten Lastmanagements brauchen, so dass der Verbraucher eine Indikation bekommt, wann er etwa sein Auto laden kann. Lastmanagement wird daher notwendig zum neuen Energiesystem gehören.
Konventionelle Energiequellen und Energiespeicher
Aufgrund der Volatilität der Erneuerbaren Energien werden wir immer auch disponible Leistung brauchen. Das ist Leistung, die uns zur Verfügung steht, wenn wir den entsprechenden Bedarf haben. Dieser Bedarf kann einerseits durch konventionelle Energien wie Kohle und Gas gedeckt werden. Andererseits aber auch durch Biomasse, Biogas und grüne Gase wie zum Beispiel Wasserstoff.
Flexible Leistung aus konventionellen und erneuerbaren Quellen kommt also gleichermaßen zum Tragen. In einem Interview mit Deutschlandfunk geht der Energieexperte Georgios Stamatelopoulos davon aus, dass Wasserstoff dabei mittel- bis langfristig eine wesentliche Rolle spielen wird. Eine weitere Quelle disponibler Leistung sind Speicher. Davon gibt es Pumpspeicherkraftwerke und auch Batterien. Speicher können einen Beitrag leisten für die disponible Leistung, bieten jedoch zurzeit noch eine relativ kurzfristige Lösung. Die Entwicklung geht aber ständig weiter, sodass hier in den nächsten Jahren große Fortschritte zu erwarten sind.
Der Einsatz künstlicher Intelligenz
Auch der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) kann zur Versorgungssicherheit beitragen. Der Netzbetreiber Mitnetz Strom etwa hat ein Frühwarnsystem entwickelt, das mithilfe von KI vorausschauend Störungen an Schaltanlagen in Umspannwerken erkennen soll. Insbesondere für die sektorenübergreifende Optimierung des Energiesystems kann KI einer dena-Analyse nach eine wichtige Rolle spielen. Die Ergebnisse der Analyse zeigen aber auch, dass der Großteil der Unternehmen beim Einsatz von KI erst am Anfang steht. Häufig mangelt es hierfür noch an Fachwissen.
Auch im Projekt SmartKRIT untersuchen Forscher von Fraunhofer-Instituten für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie (IISB) und für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen (INT), wie sich die Stromversorgung solcher kritischer Infrastrukturen im Krisenfall ausfallsicher gestalten lässt.
Ziel ist es, eine Echtzeit-Informationsgrundlage über Energieangebot, -übertragungskapazität und -bedarf zu schaffen, die Krisenstäbe bei Entscheidungen zur optimalen Energieversorgung unterstützt. Jan Reich, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE, beschreibt zum Beispiel die Möglichkeit die in einer Windkraftanlage verbaute Sensorik zu nutzen, um alle notwendigen Informationen zu digitalisieren und so den Zustand der jeweiligen Anlage in einem „digitalen Zwilling“ zu speichern. So ließe sich für alle Erzeuger und Verbraucher eine digitale Repräsentation etablieren. Die würde dann alle relevanten Informationen wie die verfügbare Strommenge, den aktuellen Energiebedarf und den Zustand des Transportsystems in Echtzeit liefern.
Die Rolle konventioneller Energieerzeuger
Die meisten Energieerzeuger sind bereits aufgebrochen in Richtung Ausbau der erneuerbaren Energien und spielen mittlerweile eine große Rolle in diesem Segment. Für jene, die noch sehr fokussiert auf die konventionellen Energien sind, ist dagegen das Thema disponible Leistung von zentraler Bedeutung. Ein Geschäftsmodell kann dabei etwa der Bau und Betrieb Wasserstoffproduktionsanlagen sein.
4. Fazit: Kein Grund zur Panik
Nach Ansicht von Georgios Stamatelopoulos ist die Energieversorgung in Deutschland nicht gefährdet. Trotz aller Schwarzmalerei, erhöhten Risiken und Warnstufen sei bisher alles weitgehend gut gegangen. Stromausfälle in Deutschland haben nach Angaben der Bundesnetzagentur abgenommen.
2020 bekam jeder Haushalt und jedes Unternehmen im Schnitt rund 10,73 Minuten lang keinen Strom. Bundesweit war die Dauer der sogenannten Versorgungsunterbrechungen damit um 1,47 Minuten kürzer als im Vorjahr. Das sei der niedrigste Wert seit der ersten Veröffentlichung der Zahlen im Jahr 2006. Damals summierten sich die Stromunterbrechungen im Schnitt auf etwa 21,53 Minuten.
Der Präsident der Netzagentur, Jochen Homann, lobt deswegen „die Zuverlässigkeit der Stromversorgung. Die Energiewende und der steigende Anteil dezentraler Erzeugungsleistung haben weiterhin keine negativen Auswirkungen auf die Versorgungsqualität."
Bleibt die Energieversorgung konkurrenzfähig und bezahlbar?
Laut Georgios Stamatelopoulos braucht es dazu einen Aufbau einer soliden Infrastruktur. Das ist die Aufgabe der Zielarchitektur für die Energiewende. Sie priorisiert die unterschiedlichen quantitativen Ziele des Energiekonzeptes der Bundesregierung und verleiht ihnen eine klare Struktur. Bei der Zielarchitektur der Energiewende und den konkret unternommenen Maßnahmen orientiert sich die Bundesregierung daran, kostengünstige Lösungen und eine optimale Systemintegration der erneuerbaren Energien zu erzielen.
Das ist die Voraussetzung für bezahlbare Energie. „Auf der anderen Seite haben erneuerbare Energien den großen Vorteil, dass man keine Brennstoffkosten mehr hat. Der Brennstoff ist quasi die Sonne und der Wind, die nichts kosten“, so Stamatelopoulos.
Grund zur akuten Sorge eines breitflächigen Stromausfalls besteht derzeit deswegen keine. Dennoch sollte man die Zeichen der Zeit lesen und Vorsorge betreiben. Etwa mit rechtzeitigen Investitionen in Zukunftstechnologien oder durch ausgewogenen Rückgriff auf disponible Leistungen, wie Wasserspeicher, Lithiumspeicher und Gasspeicher.
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