Die T.R.U.D.E. in Hamburg ist eine Gastronomie auf dem Gelände des Arbeitermuseums. Sie bietet Qualitätsessen für einen gehobenen Preis – und das in einem Viertel, das ansonsten eher für erschwingliche Mieten und billige Imbissbuden bekannt ist. In unserem Interview haben wir Geschäftsführer Holger Völsch und sein Restaurant bereits kennengelernt. In diesem Artikel nehmen wir das nachhaltige Geschäftsmodell der T.R.U.D.E. einmal etwas genauer unter die Lupe und erklären, warum es so erfolgreich ist.
Wir haben eine Vorreiterrolle
Storytelling: So gelingt Personal- und Kundenbindung
Wer die T.R.U.D.E. besucht, wird erst einmal mit einem der größten Bohrköpfe der Welt konfrontiert. Das riesige Gebilde aus Stahl steht im Hof und diente dazu, den Elbtunnel zu bohren. Sein Name T.R.U.D.E. geht auf den Vorschlag des damals zehn Jahre alten Paul Ortel zurück und steht für: Tief Runter Unter Die Elbe. Diese Geschichte bildet sozusagen den thematischen Rahmen des Restaurants: Bilder an den Wänden weisen auf die Tunnelarbeiten hin, ein vermeintlich unendlich tiefer Schacht (durch Spiegel erzeugt) muss überschritten werden, um zu den Toiletten zu kommen. Die Assoziationen, die diese Bilder hervorrufen, sind harte Arbeit, technischer Fortschritt, Tiefgründigkeit. Das ist für Holger Völsch nicht nur ein Marketingtrick, das ist seine Vision von der T.R.U.D.E. und ein Ansatzpunkt für viele verschiedene Storys.
Positivmanagement
In vielen kleinen Details etabliert das Unternehmen eine konsistente Geschichte. Aufseiten des Personals funktioniert dies durch ein Positivmanagement: Es werden klare Verhaltensregeln vermittelt und wer im Sinne des Unternehmens und seiner Kultur handelt, wird belohnt. Geschäftsführer Holger Völsch dazu:
„Wenn eine Bedienung eine Reklamation ganz toll behandelt, erhält sie ein grünes Armband. Dann fragen Gäste und Kollegen, was dieses Armband bedeutet, und die Geschichte trägt sich positiv weiter. Der Armbandträger erhält dann die Aufgabe, das Armband in den nächsten zwei Wochen weiterzugeben an den Nächsten, der etwas Tolles schafft.“
Grassroots-Management oder einfach: Hinhören
Ideen für die Weiterentwicklung der T.R.U.D.E. entstehen oft aus der Belegschaft heraus. Holger Völsch hat ein offenes Ohr für seine Mitarbeiter und konnte so schon viele Innovationen umsetzen: Als zum Beispiel Mitarbeiter, die sich vegan ernähren, bei Personalessen nicht selten außen vor blieben und das auch kommunizierten, erkannte Völsch, dass es sich um ein echtes Bedürfnis handelt, und zwar nicht nur bei seinen Mitarbeitern. Heute hat die T.R.U.D.E. eine vegane Speisekarte mit zwölf Gerichten sowie ein veganes Frühstücksbuffet, das viele Gäste lockt. So konnte sich die T.R.U.D.E. eine neue, dankbare und sehr gut vernetzte Klientel erschließen.
Auch andere nachhaltige Ideen, wie die Nutzung der Too Good To Go App, stammen aus dem Team. Durch den Einsatz dieser App verdient die T.R.U.D.E. nicht nur Geld, sondern schont auch die Umwelt und bremst die Nahrungsmittelverschwendung – ein klares Signal auch an die Gäste.
Standortvorteil Nachhaltigkeit
Tue Gutes und rede darüber – dieses Sprichwort ist für die T.R.U.D.E. ein Leitmotiv. Seien es die Speisekarten, in denen die Geschichten der Tierhaltung und der Zuchtbetriebe erzählt werden, von denen das Fleisch kommt, oder die digitalen Displays im Restaurant, auf denen die Aktionen der T.R.U.D.E. vorgestellt werden (Too Good To Go App, keine Plastikstrohhalme, reduzierter Verpackungsmüll), und nicht zuletzt das Elektroauto mit Firmenlogo. All diese Maßnahmen haben nachhaltig positive Effekte:
1. Die Kunden sind bereit, mehr Geld für höhere Qualität und ein besseres Gewissen zu zahlen.
2. Nicht wenige Neugierige kommen in dieses Viertel der Stadt, nur um hier zu essen, weil es ein Angebot gibt, das sich in Hamburg sonst so nicht finden lässt.
3. Das Unternehmen hat eine Strahlkraft sowohl für neue Zielgruppen als auch als Arbeitgeber und kann so als Vorbild für Wettbewerber dienen.
Nachhaltigkeit als Wachstumsmotor
Nachhaltigkeit bedeutet das Erschließen von neuen Zielgruppen, das Vermitteln von Qualitätsstandards, die von Kunden verstanden und geteilt werden. Die Preiserhöhung und qualitative Steigerung der Mittagskarte hat zum Verlust von 50 Prozent der Mittagsgäste geführt. Trotzdem wird derselbe Umsatz erzielt. Das entlastet das Personal und führt zu nachhaltig höherer Qualität für die Gäste.
Heute erzielen wir mit der Hälfte der Gäste denselben Umsatz
Glossar
Overhead
Administrationskosten, die neben dem eigentlichen Geschäft anfallen. Hierzu gehören Datenschutz, Steuerberatungen, Rechts-beratungen, Personalverwaltung und mehr.
Grassroots- oder Bottom-up-Management
Ideen kommen von den Wurzeln der Organisation, also der Belegschaft, und werden von der Geschäftsleitung aufgenommen und realisiert.
Nachhaltigkeit
Ein Prinzip des Wirtschaftens, das auf die Regenerationsfähigkeit genutzter Ressourcen achtet und so in der Lage ist, dauerhaft Bedürfnisse zu befriedigen.
Den Overhead digitalisieren
Einer der wichtigsten Faktoren für die nachhaltige Unternehmensführung ist die Digitalisierung des Unternehmens. Deshalb hat Geschäftsführer Völsch schon bei der Restaurantgründung ein digitales Rechnungserfassungssystem eingeführt. Mit der Cisbox werden alle Rechnungen gescannt und kategorisiert, sodass die Geschäftsführung jederzeit alle 2.000 Artikel im Griff hat – auch Preiserhöhungen werden sofort angezeigt.
Die Kostenersparnis ist nicht zu greifen
Das System kostet etwa 800 Euro im Monat, genauso viel wie ein Steuerberater, der die Artikel kontiert. Im ersten Jahr der Nutzung hat Völsch bereits 27.000 Euro eingespart, weil er Preiserhöhungen nachweisen konnte, die nicht abgesprochen waren. Mit einem serverbasierten Kassensystem pflegt die T.R.U.D.E. alle Speisen und Artikel ein. Die mobilen Kassen ermöglichen es den Bedienungen, direkt am Tisch die Bestellungen einzutippen. Durch den Server vor Ort ist das Unternehmen unabhängig vom Internet und behält die Hoheit über seine Daten. Gleichzeitig erfüllt das System die Vorgaben des Finanzamtes, indem es die Rechnungen so verschlüsselt, dass sie im Nachhinein nicht bearbeitet werden können.
Ein Online-Reservierungssystem ist für die T.R.U.D.E. ebenfalls unverzichtbar. Damit können Gäste an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr Tische reservieren. Aus den Reservierungen kann das Team überdies Newsletter generieren und neue Angebote und Veranstaltungen bewerben.
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