Glossar Energie

Kernenergie

Kernenergie ist eine Technologie, die durch die Spaltung von Atomkernen bestimmter Stoffe große Mengen Energie erzeugt, die wiederum für verschiedene Zwecke, wie beispielsweise die Stromproduktion eingesetzt werden können. Die Begriffe Kernenergie, Kernkraft, Atomkraft und Atomenergie werden häufig synonym verwendet.

Historische Entwicklungen

Historisch betrachtet ist die Gewinnung von Energie durch Kernspaltung eine recht junge Technologie. Die ersten Versuche zur Erforschung von Radioaktivität wurden von Marie und Pierre Curie und Antoine Henri Becquerel gegen Ende des 19. Jahrhunderts durchgeführt. Im Jahre 1899 war der Physiker Hans Geitel der erste, der physikalische Phänomene bei radioaktiven Prozessen mit dem Begriff Atomenergie beschrieben hat.

Zu den ersten Kernspaltungen von Uran kam es erst 1938, als Otto Hahn und Fritz Straßmann entdeckten, dass diese möglich sind. Bei der herbeigeführten Spaltung von Uran durch ein Neutron entstehen zwei neue Atomkerne und zwei bis drei neue Neutronen – was eine Kettenreaktion und damit die Basis für praktische Anwendungen der Kernspaltung ermöglicht. Letzteres wiesen Frédéric und Irène Joliot-Curie erstmals nach. Irène Joliot-Curie war die Tochter von Marie und Pierre Curie.

Im Rahmen der Forschung zur Entwicklung einer nuklearen Waffe wurde dieses Wissen im Zweiten Weltkrieg genutzt und weiterentwickelt. 1942 gelang es dem Forscher Enrico Fermi innerhalb des von Robert Oppenheimer geleiteten Manhatten-Projektes die erste nukleare Kettenreaktion kontrolliert ablaufen zu lassen. Die Erkenntnisse mündeten schließlich im ersten Atombombentest der USA am 16. Juli 1945 und führten im weiteren Kriegsverlauf zu zwei Atombombenabwürfen auf die japanischen Großstädte Hiroshima und Nagasaki.

Nach Ende des Krieges begann neben der militärischen Forschung auch die zivile Nutzung von Kernenergie in Atomkraftwerken. Die kommerzielle Erzeugung von Kernenergie begann, nachdem zu Beginn der 50er Jahre erstmals Strom in amerikanischen Reaktoren erzeugt werden konnte. In den nächsten Jahren begann auch in anderen Ländern die großtechnische Nutzung von Kernkraft in anderen Ländern, darunter Russland und England. In Deutschland wurde das erste Atomkraftwerk 1961 in der BRD eröffnet, auf dem Staatsgebiet der damaligen DDR 1966.

Die 1960er Jahre waren auch das Jahrzehnt, in dem der Ausbau der Kernkraftwerke stark forciert wurde. Viele neue Atomkraftwerke mit erheblich mehr Leistung gingen in dieser Zeit ans Netz. Parallel dazu wurden immer mehr Stimmen gegen die Nutzung von Kernenergie und den Bau von Atomkraftwerken laut, was zur Gründung der Anti-Atomkraft-Bewegung führte. Die Kritik der Bewegung aufgrund der Risiken, die sich aus dem Betrieb von Kernkraftwerken ergeben, sollten sich bei der Katastrophe von Tschernobyl bewahrheiten. Am 26. April 1986 kam es zur Kernschmelze in einem Reaktor, bei dem große Mengen an radioaktiver Strahlung in die Umwelt freigesetzt wurden. Auch in Westeuropa stieg in der Folge die Radioaktivität stark an, weil sich das radioaktive Material durch die Windströmungen stark verbreiten konnte.

Atomkraftwerk

Ereignisse wie dieses führten dazu, dass die Akzeptanz nachließ und der Widerstand gegen Atomenergie zunahm. Die damalige Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder beschloss schließlich bereits zur Jahrtausendwende eine sukzessive Abkehr von der Kernenergie und den Ausstieg aus der Atomkraft in den kommenden 20 Jahren. Der nukleare Unfall im Kernkraftwerk von Fukushima (Japan) 2011 war ein weiterer Grund dafür, den kommerziellen Betrieb der zum Großteil baugleichen Reaktoren in Deutschland bis Ende 2022 einzustellen.

Energiegewinnung mit Kernenergie

Grundlagen

Die Kernspaltung (Kernfission) ist ein physikalischer Prozess, der die Grundlage für die technische Gewinnung von Kernenergie bildet. Als Grundstoffe werden beispielsweise Uran oder Plutonium verwendet. Jedes Atom besteht aus einer Atomhülle und einem Atomkern. Der Atomkern ist positiv geladen und befindet sich im Inneren der Atomhülle. Bei der Kernspaltung wird ein Atomkern mit Hilfe eines Neutrons in meist zwei kleinere Kerne geteilt, wobei insgesamt zwei, seltener drei Neutronen entstehen. Jedes Neutron kann weitere Kernspaltungen und damit eine Kettenreaktion auslösen. Dieser Prozess wird bei der Energieerzeugung in Kernkraftwerken ausgenutzt. Bei der Spaltung kommt das Neutron dem Kern sehr nahe und wird absorbiert, wodurch er Energie aufnimmt und geteilt wird. Dieser Prozess wird auch neutroneninduzierte Spaltung genannt. Die getrennten Stoffe werden als Spaltprodukte bezeichnet. Es gibt auch Atomkernarten, die sich ohne äußere Einwirkung selbst spalten. Diese Form der Spaltung wird auch als radioaktiver Zerfall bezeichnet.

Kernspaltung

Bei der Spaltung des Kerns wird kinetische Energie frei, die entsteht, wenn sich die Spaltfragmente abstoßen. Bei der Kettenreaktion läuft dieser Prozess ungeordnet ab, und die Energie der Fragmente wird auf umliegende Atome anderer Stoffe übertragen. Bei der Übertragung werden die Teilchen mit hoher Geschwindigkeit abgebremst und geben ihre kinetische Energie in Form von Reibungswärme ab. Das erklärt den extremen Anstieg der Temperaturen in der Reaktionsumgebung. Der Prozess läuft so lange ab, bis die Teilchen eine Geschwindigkeit erreichen, die der Umgebungstemperatur entspricht.

Kernkraftwerke

In Kernkraftwerken wird die induzierte Spaltung wirtschaftlich nutzbar gemacht. Dazu dienen vor allem die Nuklide Uran-235 und Plutonium-239. Die Ordnungszahl Z hinter dem Stoff gibt die Schwere der Stoffe an. Induzierte Kernspaltungen in Reaktoren werden ab einer bestimmten Masse (beginnend bei Thorium-232) durchgeführt. Innerhalb des Reaktors befindet sich der Reaktorkern. In diesem wird die neutroneninduzierte Spaltung durchgeführt und die kinetische Energie der Spaltprodukte und Energie aus der Strahlung in Wärme umgewandelt. 

Probleme für Mensch und Umwelt

Der Betrieb von Atomkraftwerken ist im öffentlichen Diskurs sehr umstritten. Abgesehen von immer wiederkehrenden Zwischenfällen wie beispielsweise im Kernkraftwerk Fukushima, birgt vor allem die Lagerung von Atommüll und auch das Konfliktpotenzial ausgehend von Atomwaffen große Gefahren.

Radioaktive Strahlung und Sicherheit

Reaktorunfälle wie in Tschernobyl oder Fukushima zeigen, wie kompliziert die Kontrolle und Gewährleistung von Sicherheit bei Kraftwerken ist. Statistiken zufolge zählt der Betrieb von Atomkraftwerken zu den sichersten Stromerzeugungen, allerdings sind genaue Zahlen zu Todesfällen in Folge von Reaktorunfällen oder Strahlung aufgrund der zeitlichen Dimension schwer zu erheben. Die Kosten für das Management in Folge von Zwischenfällen können Schätzungen zufolge weltweit schnell im höheren dreistelligen Milliardenbereich und höher liegen, was damit zusammenhängt, dass die Strahlungsbelastung der radioaktiven Abfälle teilweise über Jahrhunderte hinweg oder sogar länger hoch bleibt.

Lagerung

Zu den Kosten und Risikofaktoren zählt auch die Beseitigung, Wiederaufbereitung und sichere Lagerung radioaktiver Stoffe. Besonders die Zwischenlagerung verursacht im Betrieb erhebliche Kosten. Die Zwischenlagerung ist notwendig, weil die Brennelemente nach der Kernspaltung stark strahlen. Sie müssen erst in einem Zwischenlager (Abklingbecken) des Kernkraftwerks Strahlung abbauen. Der Zerfallsprozess der Isotope kann mehrere Jahre dauern. Radioaktiver Abfall (Atommüll) wird nach der Zwischenlagerung in Endlagern untergebracht, sobald die Wärmentwicklung so weit abgeklungen ist, dass dies möglich ist. Da die Strahlung des Atommülls weiterhin hoch ist, ist die sichere Endlagerung für Jahrzehnte oder sogar Jahrtausende ein weiteres logistisches und Sicherheitsproblem. Denn so lange verursacht auch das Management der Lagerstätten weiterhin Kosten, abgesehen von den Risiken, die weiterhin vom strahlenden Material ausgehen.

Radioaktive Strahlung in Tschernobyl AKW

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