Kernfusion
Die Kernfusion ist ein physikalischer Prozess, bei dem zwei leichtere Atomkerne miteinander verschmelzen und einen schwereren Atomkern bilden. Die Masse dieses schwereren Kerns ist aber geringer als die Masse der beiden leichten Kerne zusammen. Dieser Massenunterschied wird bei der Kernfusion in Form von Energie freigesetzt. Und das nicht zu knapp: Schätzungen zufolge würde ein Gramm „Brennstoff“ in einem hypothetischen Kernfusionsreaktor so viel Leistung erbringen wie die Verbrennungswärme von elf Tonnen Kohle.
Bei der Kernfusion handelt es sich um einen grundlegenden Mechanismus, der in der Sonne und allen Sternen stattfindet und das Leben auf der Erde erst ermöglicht. Der riesige Plasmaball der Sonne besteht überwiegend aus Wasserstoff. In seinem heißen Inneren brennt ein beständiges Fusionsfeuer. Hier verschmelzen die Wasserstoff-Atomkerne zu Helium. Die bei dieser Kernfusion erzeugten gewaltigen Energien erwärmen und beleuchten auch die Erde.
Bei der Kernfusion werden die positiv geladenen Atomkerne, die Protonen, aufgrund ihrer elektrostatischen Abstoßung überwunden, indem sie in einem extrem heißen und dichten Plasma hohe kinetische Energien haben. In einem Fusionsreaktor ist das Plasma ein heißes, geladenes Gas aus Wasserstoffisotopen, das die Fusion ermöglicht. Die Verschmelzung von Wasserstoffisotopen, wie Deuterium und Tritium, gilt als vielversprechender Ansatz zur Energieerzeugung in Fusionsreaktoren.
Im Gegensatz zur Kernspaltung, die bei Atomkraftwerken zum Einsatz kommt und bei der schwere Kerne gespalten werden, um Energie freizusetzen, erzeugt die Kernfusion weniger radioaktiven Abfall. Deshalb hat sie das Potenzial, eine saubere, nahezu unerschöpfliche Energiequelle für die Zukunft zu sein. Die Herausforderung besteht darin, die hohe Temperatur und den Druck zu erreichen, die für die Aufrechterhaltung der Fusion erforderlich sind, und gleichzeitig die erzeugte Energie effizient zu nutzen. Es werden schnelle Neutronen freigesetzt, die in der Reaktionskammer radioaktive Isotope erzeugen. Ein Fusionskraftwerk erzeugt radioaktiven Abfall, weil die energiereichen Neutronen, die bei der Fusion entstehen, die Wände des Plasmagefäßes aktivieren. Wie intensiv und wie lang andauernd diese Aktivierung ausfällt, hängt von den Materialien ab, auf welche die Neutronen auftreffen.
Forschungsstand zur Kernfusion
Forscher auf der ganzen Erde arbeiten an der Erforschung und Entwicklung von Fusionsreaktoren, um diese vielversprechende Energiequelle zu erschließen. Die bisherigen Experimente zur kontrollierten thermonuklearen Fusion weisen noch keine positive Energiebilanz auf. Am erfolgreichsten war bisher die britische Anlage JET (Joint European Torus), die eine Spitzenleistung von 16 MW für weniger als eine Sekunde erreichen konnte. Dabei konnten 65 Prozent der eingebrachten Energie als Fusionsenergie zurückgewonnen werden.
Im Dezember 2022 ist der physikalischen Forschung ein historischer Durchbruch gelungen: Ein riesiger Laser hat Wasserstoff zu Helium verschmolzen – und zwar so, dass zum ersten Mal mehr Energie herauskam, als an Laserenergie hineingesteckt wurde. Eine Weltpremiere und eine Chance für nachhaltige und saubere Energie.
Physikalische Grundlage
Mit der Formel zur Masse-Energie-Äquivalenz stellte Albert Einstein fest, dass Masse und Energie äquivalente Größen sind und zwischen diesen Größen der fundamentale Zusammenhang E=m⋅c2 existiert. Diese Gleichung ist die Grundlage für das Verständnis der Energiefreisetzung durch Kernspaltung und Kernfusion sowie vieler weiterer physikalischer Prozesse.
Wie wird Kernfusion in Deutschland wahrgenommen?
In Deutschland wird Kernfusion, anders als die klassische Kernspaltung, in der Öffentlichkeit oft als vielversprechende Technologie zur künftigen Energieerzeugung wahrgenommen. In der Fusion wird eine umweltfreundliche und nahezu unerschöpfliche Energiequelle gesehen, die potenziell dazu beitragen kann, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren und den Klimawandel effektiv anzugehen. Im Vergleich zu nachwachsenden Rohstoffen als Primärenergie ist Kernfusion nicht nur klimaneutral, sondern emittiert keine CO2-Emissionen. Diese positive Wahrnehmung wird durch die Beteiligung Deutschlands am internationalen ITER-Projekt zur Fusionsforschung gestärkt.
Kritik
Es gibt auch Kritikpunkte in Bezug auf die CO2-neutrale Kernfusion. Einige argumentieren, dass die Entwicklung von Fusionsreaktoren teuer ist und es noch viele technische Herausforderungen zu überwinden gibt. Außerdem wird die Frage nach der Endlagerung und Entsorgung von radioaktivem Tritium, das bei der Fusion erzeugt wird, kontrovers diskutiert. Ein weiterer Kritikpunkt ist die lange Zeitspanne, die für die kommerzielle Umsetzung benötigt wird.
Wie ist der rechtliche Rahmen zur Kernfusion?
Die rechtliche Lage in Deutschland in Bezug auf die Kernfusion ist durch verschiedene Gesetze und Vorschriften geregelt. Deutschland beteiligt sich an internationalen Projekten zur Fusionsforschung wie ITER und ist an bestimmte Sicherheitsstandards gebunden. Die kommerzielle Nutzung von Kernfusion in Deutschland würde wahrscheinlich eine Anpassung der Gesetzgebung und Genehmigungsverfahren erfordern.
Was ist eine kalte Fusion?
Als kalte Fusion bezeichnet man Verfahren, die eine als Energiequelle nutzbare kontrollierte Kernfusion von Wasserstoffisotopen herbeiführen sollen und dazu keine thermonukleare Reaktion, also kein Plasma mit hoher Temperatur und Dichte, benötigen.
Wichtige Begriffe rund um die Kernfusion
Plasmaphysik
Die Plasmaphysik ist ein Bereich der Physik, der sich mit dem Verhalten von Plasma befasst. In Bezug auf die Kernfusion spielt die Plasmaphysik eine entscheidende Rolle bei der Erzeugung und Aufrechterhaltung des notwendigen heißen Plasmas, in dem die Fusion stattfindet.
Tokamak
Ein Tokamak ist ein Gerät, das zur Erzeugung und Aufrechterhaltung von Fusionsplasmen verwendet wird. Es besteht aus einem ringförmigen Toroid, einer Art Magnetfeld, und wird häufig in Kernfusionsreaktoren wie dem ITER eingesetzt.
ITER
ITER ist ein internationales Fusionsforschungsprojekt und steht einfach erklärt für „International Thermonuclear Experimental Reactor“. Gebaut wird dieser in Frankreich. Der Reaktor soll die Machbarkeit der Fusionsenergie demonstrieren und als Prototyp für zukünftige Fusionskraftwerke dienen.
Fusionsreaktor
Diese Art von Reaktoren sind hypothetische Kraftwerke, die Energie aus Fusion nutzen, um Elektrizität zu erzeugen. Solche Reaktoren befinden sich noch in der Entwicklungsphase, aber sie könnten eine saubere und nahezu unerschöpfliche Energiequelle darstellen. Eine große Herausforderung ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis bzw. das Schaffen einer positiven Energiebilanz.
Deuterium
Deuterium ist ein Wasserstoffisotop, das in Kernfusionsreaktoren als Brennstoff verwendet wird. Es ist relativ einfach verfügbar und tritt in natürlichem Wasser in geringerer Konzentration auf. Die Deuterium-Tritium-Reaktion der Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium ist eine Art der Fusion, bei der ein Deuteriumkern mit einem Tritiumkern verschmilzt, bei der ein Helium-4 Atomkern (HE-4 Atomkern), ein freies Neutron und eine Energie von 17,6 MeV entstehen. Es handelt sich dabei um die bekannteste Fusionsreaktion für Fusionsgeräte. Auch Atombomben enthalten einige Gramm eines Deuterium-Tritium-Gemischs.
Helium-3-Kern
Eine Fusionsreaktion zur Freisetzung von Energie ist die Verschmelzung zweier Deuterium-Kerne zu Helium-3. Der Helium-3-Kern ist der Spiegelkern zum Tritiumkern: Er enthält 2 Protonen und 1 Neutron statt 1 Proton und 2 Neutronen.
Elektrostatischer Trägheitseinschluss
Dabei handelt es sich um eine Methode, mit der Plasma von hoher Dichte und hoher Ionenenergie mit Hilfe eines elektrischen Feldes erzeugt wird. Die ersten Geräte dieser Art wurden nach ihren Entwicklern auch als Farnsworth-Hirsch-Fusor oder Hirsch-Meeks-Fusor bekannt.
Bor-Proton-Reaktion
Prozesse wie die Bor-Proton-Reaktion (p-B), bei denen kein Neutron entsteht – oft als „reine“ Fusion bezeichnet – erfordern eine viel höhere Temperatur, bis sie mit ähnlicher Häufigkeit ablaufen wie Deuterium-Tritium- Verschmelzungen.
Tritium
Tritium ist ein Wasserstoffisotop, das zur Fusion verwendet wird. Es ist radioaktiv und muss im Reaktor erzeugt werden. Die Fusion von Deuterium und Tritium erzeugt Helium und setzt große Mengen Energie frei.
Energiegewinnung
Der Energiegewinn ist der Nettoenergieoutput aus dem Reaktor abzüglich der Energie, die für die Aufrechterhaltung des Plasmas und des Reaktorbetriebs aufgewendet wird. Ein Fusionsreaktor ist dann wirtschaftlich, wenn er mehr Energie erzeugt, als zur Betreibung benötigt wird.
Strahlungskühlung
Strahlungskühlung bezieht sich auf die Abführung überschüssiger Wärmeenergie aus dem Fusionsplasma in Form elektromagnetischer Strahlung. Bei sehr hohen Temperaturen im Plasma, die in Fusionsreaktoren auftreten, emittiert das Plasma Strahlung, hauptsächlich in Form von sichtbarem Licht und Infrarotstrahlung.
Bethe-Weizsäcker-Zyklus
Der Bethe-Weizsäcker-Zyklus ist eine der acht Fusionsreaktionen des sogenannten Wasserstoffbrennens, durch die Sterne Wasserstoff in Helium umwandeln; die anderen sind die Proton-Proton-Reaktion sowie weitere mögliche CNO-Zyklen (nach den Elementen Kohlenstoff-Stickstoff-Sauerstoff als „Katalysatoren“), die allerdings bei noch höheren Temperaturen ablaufen.