Infowelt Energie
Bidirektionales Laden: das Elektroauto als Speicher
Elektroautos sind ein zentraler Baustein für die Mobilität der Zukunft. Doch darüber hinaus könnten sie auch zum Gelingen der Energiewende beitragen – indem sie als dezentrale Stromspeicher eingesetzt werden.
Zuletzt aktualisiert am 20.9.2024
Lesedauer: 7 Minuten
Inhaltsverzeichnis
Entwicklungen beim bidirektionalen Laden
So funktioniert bidirektionales Laden
Diese Varianten gibt es beim bidirektionalen Laden
Welche E-Autos und Wallboxen unterstützen bidirektionale Ladetechnologie?
Kann ich E-Autos und Wallboxen für bidirektionales Laden nachrüsten?
Wie sieht die Zukunft für das bidirektionale Laden aus?
Entwicklungen beim bidirektionalen Laden
„Bidirektionales Laden“ ist ein Fachbegriff aus dem Bereich der Elektromobilität. Konkret ist damit das „Laden in zwei Richtungen“ gemeint. Zum einen fließt dabei wie gewohnt Strom aus dem Netz ins E-Auto, zum anderen, und das ist das Besondere, Energie aus dem Akku des Fahrzeugs zurück ins Stromnetz oder die Stromversorgung des eigenen Zuhauses.
Aktuell sind in Deutschland zwei Varianten des bidirektionalen Ladens möglich: Erstens lassen sich mit der „Vehicle to Load” (V2L)-Technologie über das E-Auto andere elektrische Geräte laden, zweitens kann mit „Vehicle to Home” (V2H) der Strom des E-Auto-Akkus ins heimische Stromnetz gebracht werden, beziehungsweise der Stromer als Zwischenspeicher für Energie aus der PV-Anlage dienen. Noch befindet sich diese sehr junge Technologie in den Anfängen, man kann sie aber bereits auch hier in Deutschland nutzen.
So funktioniert bidirektionales Laden
Geräte mit einem integrierten Akku – ob Smartphone oder Elektroauto – werden stets mit Gleichstrom (DC) betrieben. Aus diesem Grund muss der Wechselstrom (AC) aus dem Stromnetz für das Laden eines Elektrofahrzeugs umgewandelt werden. Das geschieht mithilfe eines entweder im E-Auto oder in der Ladestation eingebauten Wandlers. Geht der Strom nun den umgekehrten Weg aus der Batterie des Fahrzeugs zurück ins Stromnetz, gilt dasselbe Prinzip: Hier muss der Gleich- wieder zu Wechselstrom werden. Wichtig ist dabei, dass ausschließlich DC-Wallboxen – also jene mit Gleichstromanschluss – für die Technik infrage kommen. Diese Modelle sind allerdings zum Teil deutlich teurer als die AC-Wallboxen, die im Normalfall für den Privatgebrauch verbaut werden.
Was ist der Unterschied zwischen Gleich- und Wechselstrom?
Es ist die Bewegungsrichtung der Elektronen, die den Unterschied zwischen Gleichstrom und Wechselstrom ausmacht. Bei Gleichstrom bleibt der Stromfluss immer gleich, fließt also konstant in eine Richtung. Beim Wechselstrom ändert der Stromfluss in periodischen Abständen seine Richtung, weil sich der Plus- und Minuspol der Spannungsquelle ebenfalls regelmäßig ändern.
Voraussetzungen für das bidirektionale Laden
Damit bidirektionales Laden funktioniert, müssen das Elektroauto und die Ladeinfrastruktur über die entsprechenden technischen Voraussetzungen verfügen, was längst noch nicht flächendeckend der Fall ist. 2022 wurde mit der ISO-Norm 15118-20 ein internationaler Standard veröffentlicht, welcher die technischen Anforderungen für die bidirektionale Kommunikation zwischen E-Auto und Ladestation definiert.
Die ersten Fahrzeuge, die bidirektionales Laden ermöglichten, waren mit einem aus Asien stammenden CHAdeMO-Stecker ausgestattet. Mittlerweile funktioniert die Technik aber auch mit einem CSS-Stecker (etwa bei den ID-Modellen von VW). Einige Hersteller bieten auch einen handelsüblichen Schukostecker an, dieser lässt sich jedoch nur für das Laden oder Betreiben anderer Geräte (VD2) nutzen.
Um bidirektionales Laden nutzen zu können, sind aktuell folgende Voraussetzungen nötig:
- ein Elektroauto, das die entsprechende Technik unterstützt und über CHAdeMO- oder CCS-Stecker verfügen
- eine DC-Wallbox, die bidirektionales Laden ermöglicht. Wichtig: Die Wallbox muss über den gleichen CHAdeMO- oder CCS-Stecker verfügen wie das E-Auto.
- ein smartes Energiemanagementsystem (HEMS), falls das E-Auto als Energiequelle oder Energiespeicher für das heimische Stromnetz genutzt werden soll.
Es gibt drei Anwendungsmöglichkeiten für die bidirektionale Ladetechnologie:
- Vehicle-to-Device (V2D) - auch Vehicle-to-Load (V2L)
- Vehicle-to-Home (V2H)
- Vehicle-to-Grid (V2G).
Aktuell kommen in Deutschland ausschließlich die Vehicle-to-Device- sowie die Vehicle-to-Home-Technologien zum Einsatz. Vehicle-to-Grid ist bislang in Deutschland noch nicht möglich, soll aber in den kommenden fünf Jahren eingeführt werden.
Bei der Funktion Vehicle-to-Load (V2L) oder Vehicle-to-Device (V2D) befindet sich in den E-Autos entweder eine Schuko-Steckdose oder ein entsprechender Adapter für den Ladeanschluss des Fahrzeugs über die elektrische Geräte angeschlossen, betrieben oder geladen werden können.
Möglich ist auch, den Strom aus der E-Auto-Batterie nach dem Vehicle-to-Home-Prinzip (V2H) im eigenen Haus zu verwenden oder die überschüssige Energie, etwa der PV-Anlage, im Akku des E-Autos zwischenzuspeichern. V2H ist in Deutschland bereits im Einsatz.
Wird das E-Auto mit dem öffentlichen Stromnetz verbunden, spricht man von der Vehicle-to-Grid-Technologie (V2G). Dabei dient das Fahrzeug als dezentraler Stromspeicher, der dem Netz Energie zur Verfügung stellt, wenn sie benötigt wird. Aktuell ist dieser Einsatz in Deutschland nicht möglich.
Vehicle-to-Load (V2L)
Vereinfacht ausgedrückt lassen sich mit E-Autos, die über V2L verfügen, externe elektrische Geräte laden oder betreiben, wie beispielsweise einen Laptop, einen Föhn oder eine Bohrmaschine. Auch E-Bikes können damit geladen werden. Dies geschieht über einen klassischen Schukostecker und das E-Auto muss dafür noch nicht mal in Betrieb sein. Aktuell bieten unter anderem Hyundai, Kia, MG oder Polestar bei einigen ihrer Stromer diese Technologie an. Bei diesen Fahrzeugen ist der Schukostecker entweder direkt im Fahrzeuginneren verbaut oder es gibt spezielle Adapter, die am Ladenanschluss des Fahrzeugs angebracht werden können.
Vehicle-to-Home (V2H)
Bei dieser Technik ist das E-Auto über die Wallbox mit dem Stromnetz des eigenen Zuhauses verbunden. Diese Technologie hat gleich zwei Vorteile: Erstens ist es damit möglich, die elektrischen Geräte im Haus über die Akku-Energie des Elektroautos zu versorgen. Dies könnte zum Beispiel nicht nur im Alltag praktisch sein, wenn untertags der Strom am teuersten ist, sondern wäre auch hilfreich im Falle eines Stromausfalls. Zweitens können Besitzer:innen einer PV-Anlage das E-Auto auch als Zwischenspeicher für den eigenen Solarstrom nutzen. An sonnigen Tagen kann das E-Auto den über die PV-Anlage produzierten Strom aufnehmen, der dann später zurück ins Haus fließt und dort genutzt werden kann. Mit 1.000 Kilowatt zwischengespeichertem Strom pro Jahr aus dem E-Auto könnte zum Beispiel die Waschmaschine 1.800 Mal bei 40 Grad oder der Fernseher 10.000 Stunden laufen. Für beide Anwendungsfälle brauchen Eigenheim-Besitzende ein smartes Energiemanagement-System (HEMS – Home Energy Management System), um den gewünschten Einsatz der gespeicherten Energie steuern zu können.
Vehicle-to-Grid (V2G)
Aktuell ist die Vehicle-to-Grid-Technologie in Deutschland noch nicht realisierbar. Es laufen aber sowohl bei den Energieversorgern als auch bei den Herstellern von E-Autos entsprechende Vorbereitungen, um diese Anwendung in den kommenden fünf Jahren auch hierzulande zu etablieren. Die Idee dahinter ist, dass die überschüssige Energie eines E-Autos in das öffentliche Stromnetz eingespeist wird. Somit könnten Lastspitzen ausgeglichen werden, wodurch das Stromnetz entlastet wird. Umgekehrt wäre es auch möglich, überschüssig produzierten Strom aus dem Netz in E-Autos zwischenzuspeichern (Grid-to-Vehicle). Noch fehlt jedoch für beide Varianten eine Software, die die jeweiligen Ladeprozesse steuern und verwalten kann. Außerdem bräuchte es dazu Kommunikation sowie Datenaustausch zwischen Fahrzeugen, Ladeinfrastruktur und Stromnetz.
Gut zu wissen: Sollte sich diese Technologie durchsetzen, könnte sich das auch für die Besitzer:innen eines E-Autos lohnen. Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass der Staat oder die Energieversorger die Nutzung Ihres Elektroautos als Zwischenspeicher attraktiv vergüten – was die Unterhaltskosten des eigenen E-Autos senken würde. Betont sei aber: Viele Hersteller, wie etwas VW, Skoda, Polestar, Nissan oder Renault befähigen Ihre E-Autos bereits jetzt mit der entsprechenden Technologie. Diese könnte dann bei Bedarf über ein Software-Update freigeschalten und genutzt werden.
Welche E-Autos und Wallboxen unterstützen bidirektionale Ladetechnologie?
Dass bidirektionales Laden noch kein Thema für die breite Masse ist, zeigt sich an der überschaubaren Anzahl der Elektroautos, die für diese Technologie ausgelegt sind. Das erste E-Auto, das Strom sowohl aufnehmen als auch abgeben konnte und kann, ist der Nissan LEAF. Inzwischen sind folgende Modelle hinzugekommen (Stand August 2024):
Modell |
Stecker |
Art |
Ford E-Transit |
Schuko |
V2L |
Ford F-150 Lightning |
CCS |
V2H / V2G (vorbereitet) |
Genesis |
Schuko |
V2L |
Honda e |
CCS |
V2H / V2G (vorbereitet) |
Hyundai Ioniq 5 / |
Schuko |
V2L |
Kia EV6 / EV9 / Niro EV |
Schuko |
V2L |
MG Marvel R Electric / MG ZS EV / MG4 Electric /MG5 Electric |
Schuko |
V2L |
Nissan eNV200 / Leaf |
CHAdeMO |
V2H / V2G (vorbereitet) |
Polestar 3 / Polestar 4 |
Schuko / Typ 2 / CCS |
V2H / V2G (vorbereitet) |
Renault Mégane E-Tech |
CCS |
V2H / V2G (vorbereitet) |
Skoda Enyaq |
CCS |
V2H / V2G (vorbereitet) |
Volvo EX90 |
Schuko / Typ 2 / CCS |
V2H / V2G (vorbereitet) |
VW ID.3 / ID.4 / ID.5 / ID.Buzz |
CCS |
V2H / V2G (vorbereitet) |
Bei VW sind alle ID-Modelle für bidirektionales Laden ausgelegt, die über eine 77 kWh-Batterie sowie über die VW-Konzern-Software 3.5 verfügen. Besitzer:innen älterer ID-Modelle mit entsprechender Batteriegröße müssen das Update entweder selbst aufspielen (Over-the-Air) oder können dies bei qualifizierten VW-Vertragspartnern oder Händlern installieren lassen. Diese Voraussetzungen gelten auch für den Skoda Enyaq.
Bei den Wallboxen gibt es erfreulicherweise immer mehr Hersteller, die bidirektionale Modelle anbieten. Hier eine Liste der aktuellen Ladestationen (Stand August 2024):
-
openWB Pro
-
Smartfox Pro Charger 2
-
E3/DC Edison BiDi-Wallbox
-
Evtec sospeso&charge
-
Sigenergy Sigen EV DC Charging Modul
-
VW bidirektionaler ID. Charger
-
Ford Charge Station Pro
-
Sono Wallbox
-
Solar Edge
-
Kostal BDL Wallbox
-
Wallbox Chargers Quasar
-
Zaptec Go 2
Kann ich E-Auto und Wallbox für bidirektionales Laden nachrüsten?
Das eigene E-Auto oder die Wallbox für bidirektionales Laden nachzurüsten, ist aktuell nicht möglich. Lediglich VW hat für seine ID-Modelle ab einer Batterieleistung von 77 kWh ein entsprechendes Update bereitgestellt. Außerdem sind die vorhandenen Wallboxen in fast allen Fällen nicht mit den notwendigen CHAdeMO- beziehungsweise CSS-Steckern ausgerüstet. Auch das Laden und Betreiben von externen elektrischen Geräten (V2L) ist nur möglich, wenn der passende Schuko-Anschluss im E-Auto verbaut wurde beziehungsweise über einen entsprechenden Adapter für den Ladeanschluss verfügt.
Wie sieht die Zukunft für bidirektionales Laden aus?
Wie bereits erwähnt, ist die „Vehicle to Grid“-Technologie in Deutschland noch nicht einsetzbar. Und dass zeitnah hunderttausende Elektroautos im Land als dezentrale Stromspeicher dienen, ist ebenfalls nicht anzunehmen. Es wird also noch einige Zeit dauern, bis diese Technologie hierzulande zum Einsatz kommt. Expert:innen rechnen mit etwa fünf Jahren, bis die notwendige Infrastruktur dafür bereit ist. Zudem mangelt es auch an regulatorischen Voraussetzungen.
Allerdings deuten die aktuellen Entwicklungen darauf hin, dass sich immer mehr Menschen für diese Technologie interessieren. Auf Gesetzesebene gilt es bis dahin noch einiges zu regeln, beispielsweise die Besteuerung. E-Autos werden rechtlich als Pkw und nicht als Batteriespeicher betrachtet, für die es teilweise günstigere Regelungen gibt. Das würde zu einer Doppelbesteuerung führen, da derzeit beim Strombezug aus dem Netz, also beim Kauf, Steuern anfallen und ebenso wieder, wenn dieser Strom wieder ins Stromnetz zurückgeführt, also verkauft wird. Außerdem müssen noch Lösungen gefunden werden, wie etwa mit Firmenfahrzeugen verfahren wird. Theoretisch wäre es ja möglich, dass ein:e Angestellte:r das E-Auto in der Firma lädt, diese Energie aber zu Hause ins öffentliche Stromnetz verkauft.
Abseits dieser noch offenen Regularien gibt es noch weitere rein technische Hemmschwellen, die dem bidirektionalen Laden im Weg stehen. Die aktuell verbauten Akkus von Elektroautos sind (noch) nicht für unendlich viele Lade- und Entladevorgänge ausgelegt. Eine intensive Nutzung als Zwischenspeicher würde ihre Lebensdauer verringern. Das kann sich jedoch mit der Weiterentwicklung der Batterietechnologie ändern.
Schon jetzt verbauen Hersteller wie VW, Nissan, Volvo sowie Cupra und Polestar in ihren Fahrzeugen die technischen Voraussetzungen für “Vehicle to Grid”-Anwendungen, die zu einem späteren Zeitpunkt ganz einfach via Software-Update freigeschaltet werden können. Im Gegensatz zu Verbrennern können E-Autos schließlich dank des „Ladens in zwei Richtungen“ auch sinnvoll zum Einsatz kommen, wenn sie nicht genutzt werden und an der Wallbox hängen. Dass von ihrer Rolle als Puffer- oder Zwischenspeicher sowohl das öffentliche Stromnetz als auch private Haushalte profitieren können, zeigen zudem die breiten Anwendungsmöglichkeiten des bidirektionalen Ladens.
Vattenfall Fazit
Dass sich bidirektionales Laden durchsetzen wird, ist ziemlich sicher. Die Frage ist nur, wann das der Fall sein wird. Schon heute sind in Deutschland die Technologien „Vehicle to Load” und „Vehicle to Home” möglich und werden auch genutzt. Der nächste Schritt ist, „Vehicle to Grid” umzusetzen. Hierfür arbeiten Gesetzgeber und Energieversorger bereits daran, die richtigen Voraussetzungen zu schaffen. Parallel bereiten auch Autohersteller ihre Modelle durch Software-Updates auf das bidirektionale Laden via „V2G" vor.
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